Vermutlich befanden sich auf dem Standort bereits um 1300 erste Hüttenbetriebe. Den ersten urkundlich belegten Nachweis zur Existenz einer Schmelzhütte am Standort gibt eine Erbschaftsurkunde aus dem Jahr 1318 (Kolmschlag, 2010). Seit 1524 sind Erzlieferungen an die ,,Obere Muldener Hütte‘‘ (auch ,,Krumme Hütte‘‘ genannt) sowie die ,,Untere Muldener Hütte‘‘ (auch ,,Neue Hütte‘‘ oder ,,Stückofenhütte‘‘ genannt) belegt.
Insbesondere seit der ersten Hälfte des 19. Jhd., entwickelte sich Muldenhütten zu einem industriellen Zentrum in der Freiberger Region, aus dem bedeutende technologische Entwicklungen für das gesamte Hüttenwesen hervorgingen (Albrecht, 1999). Mit Kriegsende 1945 kam die Hüttenproduktion, ebenso wie der Freiberger Bergbau, zum Erliegen. Wichtige Anlagen und Ausrüstungen wurden, im Rahmen der Reparationsleistungen an die Sowjetunion, demontiert. Dennoch konnte die Produktion von Blei und Edelmetallen bereits Ende 1945 wieder anlaufen.
1961 wurden alle Hütten und Gruben des Freiberger Raumes zum VEB Bergbau- und Hüttenkombinat ,,Albert Funk‘‘ Freiberg vereinigt. Als erster wesentlicher Beschluss erfolgte die Festlegung, künftig die Bleiproduktion in Muldenhütten zu konzentrieren. Aus wirtschaftlichen Gründen musste der Bergbau in Freiberg und Umgebung im Jahr 1969 geschlossen werden. Dies bedeutete die Umstellung der Bleiverhüttung in Muldenhütten ausschließlich auf Sekundärrohstoffe, überwiegend Akkumulatorenschrotte.
Die politische Wende 1990 bedeutete das Ende des Hüttenkombinats. In Zuge der Umwandlung des Hüttenstandorts Muldenhütten, wurden einzelne Produktionsbereiche ausgegründet. Im Ergebnis des Umwandlungsprozesses entstand ein Mix von Firmen aus der Recycling- und Metallbranche sowie anderen innovativen Industrie- und Gewerbeunternehmen (Hein, 2010).
Durch Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen ging ein erheblicher Teil der einstmals vorhandenen historischen Bausubstanz verloren. Das Gelände am Schachtofen I im nördlichen Teil des Standortes Muldenhütten stellt dabei, mit den historischen Gebäuden Schachtofengebäude und Pattinsonhütte, eine Ausnahme dar.
Gelände am Schachtofen
Das Gelände am Schachtofen I ist der älteste noch erhaltene Teil der historischen Hüttenanlagen in Muldenhütten. Grundmauern einiger Gebäude gehen auf das 16. Jhd. zurück. Die gesamte Fläche ist ca. 2,5 ha groß (Mollée, 2013).
Schachtofengebäude
Das Schachtofengebäude (= Schachtofen I) wurde im Jahr 1886/87 im nordöstlichen Bereich des Hüttenhofes errichtet. Östlich des Gebäudes befindet sich der Gichtvorplatz, südlich schließt sich in Richtung Hüttenhof der Schlackenplatz mit Granulierbecken an. Im Jahr 1939 wurde während eines Umbaus der noch heute vorhandene Schachtofen eingebaut und das Schachtofengebäude aufgestockt. Das Gebäude besteht aus drei Etagen mit der Absticheinrichtung im Erdgeschoss, dem Rauchgaskanal in der Mitte und der Gichtbühne im Obergeschoss. Der ursprüngliche Schachtofen ist noch vorhanden und war bis 1991 in Betrieb. Es handelt sich um einen Pilzschen Schachtofen (Darbinjan, 2017). Das Schachtofengebäude steht unter Denkmalschutz und gehören seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Pattinsonhütte und Zinkentsilberung
Die Pattinsonhütte besteht aus einem Gebäudeteil, in dem das Pattinson-Verfahren angewandt wurde (= Nordostflügel) und einem Gebäudeteil, welches der Zinkentsilberung diente (= Nordwestflügel).
Die Pattinsonhütte wurde um das Jahr 1855/56 im Zuge der Einführung des Pattinson-Verfahrens errichtet. Sie diente zunächst der Herstellung von reinem Blei aus edelmetallhaltigem Werkblei nach dem Pattinson-Verfahren. Im Jahr 1885 wurde in dem Nordwestflügel des Gebäudes das Verfahren der Zinkentsilberung nach Parkes eingeführt. Im Jahr 1886 erfolgten bauliche Veränderungen der Pattinsonhütte, die zu der bis heute erhaltenen Größe führten. Das arbeitsaufwendige Pattinson-Verfahren wurde 1921 eingestellt und gleichzeitig eine mechanische Hängebahn gebaut (Kolditz, 2009). Im Jahr 1943 wurde eine Hartbleianlage errichtet. Nach 1945 wurden in den Nordostflügel der Pattinsonhütte das Becken und die Pumpen des Kühlwasserkreislaufes des Schachtofens I ausgelagert. Die Zinkentsilberung wurde 1969 und die Hartbleiproduktion 1972 eingestellt (Kolmschlag, 2010). Die Pattinsonhütte und das Schachtofengebäude stehen unter Denkmalschutz und gehören seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe.