Charakterisierung und Lage

Der mehr als 800 Jahre alte Hüttenstandort Muldenhütten befindet sich ca. 3 km südöstlich von Freiberg und liegt unmittelbar am östlichen Ufer des Flusses Freiberger Mulde. Seit 2012 gehört das Gebiet zu Freiberg. Der Standort ist unterteilt in das entwickelte Industriegebiet Muldenhütten südlich der öffentlichen Straße in Muldenhütten und dem Gelände am Schachtofen I, das hauptsächlich aus denkmalgeschützten, ungenutzten Gebäuden besteht und den Nordteil Muldenhüttens prägt.

Die noch vorhandenen, historischen und denkmalgeschützten Hüttengebäude sowie deren teilweise erhaltenen technischen Einrichtungen, machen den Standort zu einem der ältesten noch in Deutschland existierenden Standorte der Buntmetallurgie. Das Ensemble umfasst Baulichkeiten aus dem späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert.

Von historischer Relevanz für das Projekt recomine sind die Gebäude Pattinsonhütte und das Schachtofengebäude. Diese Gebäude sind Teil des Geländes am Schachtofen I des historischen Hüttenkomplexes. Sowohl im Schachtofengebäude als auch in der Pattinsonhütte sind die mineralische Bausubstanz (Putze, Mörtel), die Stäube und die Böden der Gebäude stark mit Schadstoffen wie As, Pb, Cd, Cu und Zn kontaminiert, welche aus der Verhüttung der Freiberger Erze stammen (Darbinjan, 2017).

Historie

Historie

Vermutlich befanden sich auf dem Standort bereits um 1300 erste Hüttenbetriebe. Den ersten urkundlich belegten Nachweis zur Existenz einer Schmelzhütte am Standort gibt eine Erbschaftsurkunde aus dem Jahr 1318 (Kolmschlag, 2010). Seit 1524 sind Erzlieferungen an die ,,Obere Muldener Hütte‘‘ (auch ,,Krumme Hütte‘‘ genannt) sowie die ,,Untere Muldener Hütte‘‘ (auch ,,Neue Hütte‘‘ oder ,,Stückofenhütte‘‘ genannt) belegt.

Insbesondere seit der ersten Hälfte des 19. Jhd., entwickelte sich Muldenhütten zu einem industriellen Zentrum in der Freiberger Region, aus dem bedeutende technologische Entwicklungen für das gesamte Hüttenwesen hervorgingen (Albrecht, 1999). Mit Kriegsende 1945 kam die Hüttenproduktion, ebenso wie der Freiberger Bergbau, zum Erliegen. Wichtige Anlagen und Ausrüstungen wurden, im Rahmen der Reparationsleistungen an die Sowjetunion, demontiert. Dennoch konnte die Produktion von Blei und Edelmetallen bereits Ende 1945 wieder anlaufen.

1961 wurden alle Hütten und Gruben des Freiberger Raumes zum VEB Bergbau- und Hüttenkombinat ,,Albert Funk‘‘ Freiberg vereinigt. Als erster wesentlicher Beschluss erfolgte die Festlegung, künftig die Bleiproduktion in Muldenhütten zu konzentrieren. Aus wirtschaftlichen Gründen musste der Bergbau in Freiberg und Umgebung im Jahr 1969 geschlossen werden. Dies bedeutete die Umstellung der Bleiverhüttung in Muldenhütten ausschließlich auf Sekundärrohstoffe, überwiegend Akkumulatorenschrotte.

Die politische Wende 1990 bedeutete das Ende des Hüttenkombinats. In Zuge der Umwandlung des Hüttenstandorts Muldenhütten, wurden einzelne Produktionsbereiche ausgegründet. Im Ergebnis des Umwandlungsprozesses entstand ein Mix von Firmen aus der Recycling- und Metallbranche sowie anderen innovativen Industrie- und Gewerbeunternehmen (Hein, 2010).

Durch Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen ging ein erheblicher Teil der einstmals vorhandenen historischen Bausubstanz verloren. Das Gelände am Schachtofen I im nördlichen Teil des Standortes Muldenhütten stellt dabei, mit den historischen Gebäuden Schachtofengebäude und Pattinsonhütte, eine Ausnahme dar.

Gelände am Schachtofen

Das Gelände am Schachtofen I ist der älteste noch erhaltene Teil der historischen Hüttenanlagen in Muldenhütten. Grundmauern einiger Gebäude gehen auf das 16. Jhd. zurück. Die gesamte Fläche ist ca. 2,5 ha groß (Mollée, 2013).

Schachtofengebäude

Das Schachtofengebäude (= Schachtofen I) wurde im Jahr 1886/87 im nordöstlichen Bereich des Hüttenhofes errichtet. Östlich des Gebäudes befindet sich der Gichtvorplatz, südlich schließt sich in Richtung Hüttenhof der Schlackenplatz mit Granulierbecken an. Im Jahr 1939 wurde während eines Umbaus der noch heute vorhandene Schachtofen eingebaut und das Schachtofengebäude aufgestockt. Das Gebäude besteht aus drei Etagen mit der Absticheinrichtung im Erdgeschoss, dem Rauchgaskanal in der Mitte und der Gichtbühne im Obergeschoss. Der ursprüngliche Schachtofen ist noch vorhanden und war bis 1991 in Betrieb. Es handelt sich um einen Pilzschen Schachtofen (Darbinjan, 2017). Das Schachtofengebäude steht unter Denkmalschutz und gehören seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Pattinsonhütte und Zinkentsilberung

Die Pattinsonhütte besteht aus einem Gebäudeteil, in dem das Pattinson-Verfahren angewandt wurde (= Nordostflügel) und einem Gebäudeteil, welches der Zinkentsilberung diente (= Nordwestflügel).

Die Pattinsonhütte wurde um das Jahr 1855/56 im Zuge der Einführung des Pattinson-Verfahrens errichtet. Sie diente zunächst der Herstellung von reinem Blei aus edelmetallhaltigem Werkblei nach dem Pattinson-Verfahren. Im Jahr 1885 wurde in dem Nordwestflügel des Gebäudes das Verfahren der Zinkentsilberung nach Parkes eingeführt. Im Jahr 1886 erfolgten bauliche Veränderungen der Pattinsonhütte, die zu der bis heute erhaltenen Größe führten. Das arbeitsaufwendige Pattinson-Verfahren wurde 1921 eingestellt und gleichzeitig eine mechanische Hängebahn gebaut (Kolditz, 2009). Im Jahr 1943 wurde eine Hartbleianlage errichtet. Nach 1945 wurden in den Nordostflügel der Pattinsonhütte das Becken und die Pumpen des Kühlwasserkreislaufes des Schachtofens I ausgelagert. Die Zinkentsilberung wurde 1969 und die Hartbleiproduktion 1972 eingestellt (Kolmschlag, 2010). Die Pattinsonhütte und das Schachtofengebäude stehen unter Denkmalschutz und gehören seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Aktivitäten in Muldenhütten

Aktivitäten in Muldenhütten

Im Laufe der Jahre wurden diverse Nachnutzungskonzepte für den Hüttenstandort Muldenhütten und konkret für die Objekte Schachtofengebäude und Pattinsonhütte erarbeitet, wovon die meisten wieder verworfen wurden. Ein Auszug ist hier aufgelistet:

  • Projektseminar von Wiener Studenten: Entwicklung von Ideen für ein Umwelt- und Kulturzentrum sowie einem Schwimmbad in Verbindung mit dem Industrieensemble Muldenhütten
  • Nutzungskonzept, welches in der Pattinsonhütte und Zinkentsilberung museale und gastronomische Nutzungen vorsieht
  • Konzept für ein Umwelt- und Kulturzentrum
  • Konzept eines Schwimmbads in Verbindung mit einem Industrieensemble
  • Konzept für eine gastronomische Nutzung

Gesellschaftliches und kulturelles Potential

Gesellschaftliches und kulturelles Potential

Das Potenzial des Standortes liegt vor allem darin, dass in der Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege, Wissenschaft, Unternehmen und Kommunen, Verfahren für den wert- und nachhaltigen Umgang mit kontaminierten Denkmalstandorten in einem Pilotprojekt entwickelt und erprobt werden können.

Durch die Vielzahl weltweit vorhandener, vergleichbarer Standorte kann Muldenhütten Maßstäbe setzen und Vorbildcharakter besitzen. Potenzielle Nachnutzungskonzepte sind stets in Hinblick auf den Welterbestatus der Gebäude zu erarbeiten.

Standortrelevante Unterlagen

Standortrelevante Unterlagen

Albrecht, H. (1999): Konzeption zur umfassenden Nachnutzung des historischen Hüttenstandortes Muldenhütten bei Freiberg/Sa., Studie im Auftrag der Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen.

Darbinjan, F. (2017): Bericht Hüttenkomplex Muldenhütten, Schachtofen I, Schadstoffuntersuchung., Verfasser: Gea SAXONIA.

Hein, D. (2010): Freibergs Hüttenwerke Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart., Hrsg.: SAXONIA Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH, Freiberg.

Kolditz, C. (2009): Der historische Hüttenstandort Muldenhütten, Erläuterungsbericht zur denkmalpflegerischen Analytik sowie zu konzeptionellen und entwerferischen Ansätzen.

Kolmschlag, F.-P. (2010): Sieben Jahrhunderte Hüttenstandort Muldenhütten., Hrsg.: Muldenhütten Recycling und Umwelttechnik GmbH.

Kowar, R. (2017): Muldenhütten Ein Rückblick in historischen Postkarten., Hrsg.: Muldenhütten Recycling und Umwelttechnik GmbH, Freiberg.

Mollée, R. (2013): Altlastenprojekt SAXONIA 1993 - 2013 eine Retroperspektive., SAXONIA Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg./Verlag), 1. Auflage, Freiberg.

Kontakt

SAXONIA Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH

Sabine Meißner

+49 3731 39-5026

sabine.meissner(at)saxonia-freiberg.de

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Untersuchungsgegenstände

  • Gesellschaftliche und kulturelle Inwertsetzung
  • Nachhaltige Nutzung der Pattinsonhütte und des Schachtofengebäudes
  • Entwicklung und Erprobung einer Dekontamination des Denkmalstandorts
  • Erprobung der Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege, Wissenschaft, Unternehmen und Kommune

Schadstoffe

As
Pb
Cd
Cu
Zn
Cr
Ni

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